Hintergrundartikel
Erschienen in Süddeutsche Zeitung, Landkreis Erding, 3.November 2011
Helmut Szillas Sammlung historischer Tabakspfeifen umfasst mehr als 5000 Fragmente
Erding - Das Rauchen ist ein Laster mit langer Tradition - das zeigen nun auch wieder neue Funde von Tonpfeifen aus dem 17. Jahrhundert. Gleich bei zwei Baustellen im mittelalterlichen Stadtkern von Erding hatten Grabungsfirmen im Sommer und Herbst dieses Jahres Fragmente von Tonpfeifen entdeckt und geborgen. Bei dem Gewandhaus Gruber und dem Turmladen am Schönen Turm wurden insgesamt über zehn Tonpfeifenfragmente gefunden, wie der Archäologe Harald Krause berichtet, der freiberuflich im Museum Erding tätig ist.
Die neuen Entdeckungen reihen sich in eine lange Reihe von Tonpfeifenfunden in der Gegend ein, die alle aus dieser Zeit stammen. Damals habe man den Abfall auf die Straße und in die Abfallgruben geworfen: Im Zuge der Latrinenleerungen kam dann alles zur Düngung auf die Felder. Erhalten geblieben seien davon unter anderem die Tonpfeifen, erzählt der Pfeifensammler Helmut Szill. Einen Großteil der Pfeifen hat der begeisterte Hobby-Archäologe während gut 25 Jahren durch Feldbegehungen im Geislinger Anger gefunden. Seine inzwischen mehr als 5000 Fragmente umfassende Sammlung - die größte in Bayern - war bereits Bestandteil einer archäologischen Dissertation.
"Die Archäologie hat mich schon als Jugendlicher interessiert", erzählt der Langengeislinger, "Auslöser war die Ausgrabung eines Gräberfelds in Klettham, bei der ich zusah, als ich noch Maurerlehrling war". Seit 1986 ist er ehrenamtlich im Museum Erding tätig. Die bei Erding gefundenen Tabakspfeifen zählten zu den ältesten in Bayern, manche von ihnen stammten aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, erläutert Szill. Man könne die Pfeifen deshalb so genau datieren, weil viele von ihnen Stempel mit Initialien enthielten. Die Zünfte hätten damals Bücher angelegt, in denen festgehalten wurden, wann und von wem die Pfeifen hergestellt wurden. Zwar habe man bis jetzt noch keinen Beweis gefunden, dass auch in Erding Pfeifen hergestellt wurden, aber "Erding hat nach München die zweitgrößte Schranne in Bayern, bestimmt wurde dort auch Pfeifenhandel betrieben", ist sich Szill sicher. Bei den Funden in Bayern seien auch Exemplare aus Norddeutschland und Holland dabei gewesen.
Auch Rauchverbote hat es bereits Mitte des 17. Jahrhunderts gegeben. Ein "Schandkragen" aus Erding, der im Depot des Bayerischen Nationalmuseums in München lagert, legt davon Zeugnis ab. Raucher wurden damit an den Pranger gestellt, wenn sie geschmuggelten Tabak rauchten oder Pfeifen aus Betrieben ohne offizielle Lizenz benutzten.
Der Tabak war erst nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus nach Europa gelangt. Als erste hätten die Engländer die Holzpfeifen der Indianer abgekupfert und Tonpfeifen gefertigt. Von England verbreiteten sich die Pfeifen dann nach Holland, wo es Produktionsstätten gab. In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges habe sich das Rauchen schließlich über ganz Europa ausgebreitet, skizziert Szill die Geschichte der Tabakspfeife.
Das Thema "Tonpfeifen" mit seinen für Bayern außergewöhnlich zahlreichen Funden Helmut Szills wird künftig in der neuen Abteilung "Stadtgeschichte" im Museum Erding zu sehen sein.
Till Dziallas